„Justiz in Sachsen“ – Gesprächsrunde mit Justizminister Sebastian Gemkow

Anstoß für meine gestrige Veranstaltung war aus meiner Sicht eine Fehlentscheidung der Dresdner Staatsanwaltschaft. Für die mutmaßlichen Täter, die am Haltepunkt Dresden-Zschachwitz einen Mann in die Gleise gestoßen haben, wurde zunächst kein Haftbefehl beantragt. Für mich, wie für viele Dresdner, unverständlich. Zu Recht hat die Politik auf solche Entscheidungen keinen direkten Einfluss – auf die Rahmensetzungen für die Justiz in Sachsen aber durchaus. Die Diskussionsrunde widmete sich daher den Fragen „Vor welchen Herausforderungen stehen die sächsischen Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsanstalten? Müssen Strafrahmen verschärft und die Ausstattung für die Strafverfolgung verbessert werden?“ Ich freue mich sehr, dass Justizminister Sebastian Gemkow persönlich die gut 30 Gäste in Bühlau informierte und die vielseitigen Fragen ausdauernd beantwortete.

Zunächst umriss der Staatsminister ganz klar, was sind die aktuellen Aufgaben, wo bestehen Problem und mit welchen Maßnahmen wird entgegengesteuert. Sebastian Gemkow führte aber auch aus, in welchen Punkten eine Lösung noch ausstehe. Zusammenfassend ist die zentrale Herausforderung auch in den Gerichten den bevorstehenden harten Generationenwechsel abzufedern. Darüber hinaus müssen für neue Aufgaben zusätzlich gut qualifizierte Köpfe, vor allem mit versierten IT-Kenntnissen, gewonnen werden. Bereits heute wird über den aktuellen Bedarf eingestellt. Dies muss  in den kommenden Jahren fortgeführt werden, damit das Gerichtswesen eine gesunde Altersstruktur erhält.

 

Steigende Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen bedeuten steigende Fälle für die Justiz. Mit 40 zusätzlich eingestellten Verwaltungsrichtern konnten die Asylverfahren auf gut einen Monat verkürzt werden. Diese Richter könnten nach der Bewältigung der Verfahren andere Kammern entlasten. Die Zunahme an Strafverfahren und der Anteil ausländischer Strafgefangener stellen auch die Strafkammern und Mitarbeiter in den Gefängnissen vor zusätzliche und teils neue Aufgaben. Einig waren wir uns, dass wir ohne ideologische Scheuklappen an ihre Lösung herangehen müssen. Zum Beispiel, wenn ausländische Straftäter den Resozialisierungsansätzen im Strafvollzug nicht zugängig sind. Dann muss über andere Methoden wie Arrest wieder ernsthaft nachgedacht werden.


Neue Wege erfordert auch der Wandel in unserer gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Zunehmende Verrohung und vor allem eine hohe Gewaltbereitschaft aus dem Schutz von Gruppen heraus, machen die Strafverfolgung schwierig. Diese Phänomene – ob bei Fußballspielen oder im Umfeld politischer Demonstrationen - haben deutlich zugenommen. Klare Zustimmung der Teilnehmer für die Überlegung Gemkows, bereits die Teilnahme an unfriedlichen Ansammlungen zukünftig als Straftatbestand zu definieren. Auf Initiative des Freistaats Sachsens im Bundesrat ist das sogenannte „Grabschen“ bereits mehr als eine tätliche Beleidigung. Dies kann zukünftig mit erheblichen Strafen geahndet werden. In der Diskussion wurden große Bedenken über die weitere gesellschaftliche Entwicklung geäußert. Allein mit Rechtsmitteln wird dem nicht zu begegnen sein. Jeder einzelne ist gefragt in seinem Wirkungsfeld durch eine „Kultur des Hinsehens und Handelns“ dem Wandel in unserer Gesellschaft entgegenzutreten.