Joachim Gauck: der Freiheit verpflichtet - Beobachtungen auf der 15. Bundesversammlung

Artikel 54 des Grundgesetzes beschreibt es ganz nüchtern: „Die Amtszeit des Bundespräsidenten beträgt 5 Jahre.“ Trotz des medialen Dauerfeuers der vergangenen Wochen und Monate war es angebracht, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert bei seiner Eröffnung der 15. Bundesversammlung auf diesen Wortlaut der Verfassung hinwies. Er tat dies mit dem Zusatz, dass wohl keiner die kürzeren Amtsperioden in jüngster Vergangenheit als besondere Errungenschaft werten würde. Dafür erhielt er viel Beifall.

Kaum 20 Monate nach der letzten Bundesversammlung musste das Gremium erneut zusammentreten, um das deutsche Staatsoberhaupt zu wählen. Die Person Christian Wulff und dessen Rücktritt spielte natürlich eine Rolle, wenn auch eine untergeordnete. Angela Merkel lobte in der Fraktionssitzung von CDU und CSU die thematischen Impulse, die Wulff in seiner kurzen Amtszeit gesetzt hat. Norbert Lammert ging in seiner Eröffnungsrede der Bundesversammlung auch auf die Gründe des Rücktritts ein. Einerseits machte er deutlich, dass eine faire Bewertung dessen nur mit einigem zeitlichen Abstand möglich sei. Andererseits betonte er, dass in diesem Fall einseitige Schuldzuweisungen fehl am Platz sind. Lammert wörtlich: „Es gibt durchaus Anlass für selbstkritische Betrachtungen, nicht nur an eine Adresse. Manches war bitter, aber unvermeidlich. Manches war weder notwendig noch angemessen, sondern würdelos.“

 

Eine wirkliche Spannung lag über dieser Bundesversammlung nicht – anders, als noch 2010. Die Mehrheiten waren klar, die Wahl von Joachim Gauck war sicher. Eine größere Spannung ergab sich eher daraus, welche Worte Gauck wählen würde. Bereits in der Fraktionssitzung von CDU und CSU wurde er deutlich, dass für ihn der Wert der Freiheit eines der höchsten Güter überhaupt ist. Er betonte, dass er dies nicht als „Freiheit der Pubertierenden“ sieht, sondern immer gepaart mit Verantwortung. Und er betonte, dass er Verlockungen zu widerstehen bereit ist. Viele wöllten, dass er mehr über Gerechtigkeit spreche. Dazu Gauck deutlich: „Ich soll reden wie die Anderen. Aber das will ich nicht!“

 

Ein Staatsoberhaupt, welches die Freiheit an erste Stelle setzt – das kann unserem Land nur gut tun. Zu sehr haben sich die Deutschen damit arrangiert, dass es der Staat schon für sie „richten“ werde. Zu selbstverständlich sind die Forderungen geworden, der Staat möge dieses oder jenes Problem lösen. Zu gering ist die Bereitschaft in vielen Bereichen, gerade auch in der Politik, geworden, das Wort „Eigenverantwortung“ zu benutzen und mit Leben zu füllen. Joachim Gauck hat genau für diese Form einer Vollversorgungsmentalität und der Sehnsucht nach einem allumsorgenden Sozialstaat eine -an Artikel 1 des Grundgesetzes angelehnte - Entgegnung: „Nicht der Besitzstand ist unantastbar, sondern die Würde und Freiheit des Menschen.“

 

Gauck bekannte sich in seiner kurzen Rede nach der Wahl auch zur Idee des gemeinsamen Europas. Er machte deutlich, dass er die parlamentarische Demokratie immer verteidigen werde. Dies zeigt, wie sehr Joachim Gauck ein Kandidat der bürgerlichen Mitte unseres Landes ist. Ein Kandidat im Sinne der Grundsätze von CDU und CSU, der als Präsident in der Lage sein wird, gerade unsere Partei auch wieder daran zu erinnern.

 

Der neue Bundespräsident erinnerte auch an den 18. März 1990 - das Datum der ersten freien Volkskammerwahl. Er beschrieb, welches befreiende Gefühl es für einen damals 50-jährigen gewesen ist, zum ersten Mal in seinem Leben frei wählen zu können und selbst zu entscheiden, wer regiert. Diesem Gefühl der Freiheit, auch der selbst erstrittenen Freiheit, fühlt sich Joachim Gauck verpflichtet. Bei den Linken versteinerten sich in diesem Moment die Mienen, zum Klatschen waren sie nicht mehr in der Lage. Erschreckend und entlarvend zugleich. Ein weiteres Indiz dafür, dass Joachim Gauck ein guter Präsident für Deutschland ist.

 

(Artikel aus der CDU-Zeitung "Die Dresdner Union", Ausgabe April 2012)