Perspektivwechsel – Ein Tag im Ruheheim Bühlau

Zum mittlerweile dritten Mal nehme ich an der „Aktion Perspektivwechsel“ im sozialen Bereich teil. Nach Erfahrungen in einer Kindertagesstätten und einer Tagespflege ist diesmal das Ruheheim Bühlau der Diakonie auf der Hegereiterstraße mein Arbeitsort für einen Tag.

 

Das Ruheheim wurde vor 10 Jahren gebaut und bietet Platz für 70 Bewohner. Das Gebäude und die Wohnbereiche sind gleichermaßen wohnlich wie funktionell gehalten. Neben den medizinisch und pflegerisch notwendigen Einrichtungen und Apparaturen wird versucht, soviel wie möglich auf die individuellen Wünsche der Bewohner einzugehen. So bieten unter anderem die Sonnenterasse und der große Garten die Möglichkeiten, nicht nur die frische Luft zu genießen, sondern auch gemeinsam Festivitäten zu feiern. Im September steht beispielsweise das traditionelle Weinfest auf dem Programm.

Das Heim bemüht sich, den Bewohnern ein abwechslungsreiches Betreuungsprogramm zu bieten. Der wichtigste Teil davon wird für medizinische und pflegerische Maßnahmen, beispielsweise bestimmten Förderprogrammen oder bestimmten Bädern, aufgewandt. Aber auch ein gewisses Maß an gemeinsamer Freizeitgestaltung ist wichtig. Fester Bezugspunkt sind vor allem Gottesdienste und Bibelstunden. Neben dem guten Kontakt zu den umliegenden Kirchgemeinden pflegt das Heim auch gute Beziehungen in die Nachbarschaft und ist im Stadtteil voll integriert.

 

Mein Tag beginnt um 07:00 Uhr in der zweiten Etage. Gemeinsam mit einem Altenpfleger kümmern wir uns um zwei Bewohner, die aufgrund körperlicher und geistiger Einschränkungen auf intensive Hilfe angewiesen sind. Waschen, anziehen und für den Tag fertig machen – das ist die Aufgabe. Schnell wird deutlich, dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem besteht, was zeitlich notwendig ist, um dies alles in ausreichender Qualität zu erledigen und dem, was nach Meinung der Krankenkasse maximal an Zeit vorgeben ist. Schematische Betrachtungen und Abrechnungsmodelle helfen bei einer individuellen Betreuung und Pflege nicht weiter.

Es schließt sich das Frühstück an. Tische eindecken, Kaffee und Wasser ausschenken, einzelnen Bewohnern das Essen reichen – das gibt es hier zu tun. Am Vormittag schließen sich ganz unterschiedliche Betreuungsformen an. Neben medizinischen Behandlungen waren eine Physiotherapeutin, ein Zahnarzt und ein Friseur im Heim zu Gast. Ich war gemeinsam mit einer Tagesbegleiterin und mehreren Bewohner zu Spaziergängen in der Umgebung unterwegs. Dabei wird sehr stark darauf geachtet, dass die Bewohner soviel möglich selbst bewältigen. Nur wenn es gar nicht anders geht, wird auf den Rollstuhl zurückgegriffen. Aber auch diesen Bewohnern wird in Form von Ausflügen noch viel Abwechslung geboten.

 

Nach dem Mittagessen schloss sich dann eine Ruhephase an, die von den Mitarbeitern vor allem dazu genutzt wird, notwendige Dokumentationen für die einzelnen Bewohner zu erstellen. Dies stellte sich in meinem abschließenden Gespräch mit dem Heimleiter, Herrn Magnet, und der Pflegeleiterin, Frau Müller, als eines der Probleme dar. Zwar ist Kontrolle und Aufsicht wichtig und gewünscht (das Heim hat in jedem Jahr mit der besten Note 1,0 abgeschnitten), aber die immer größer werdenden Dokumentationspflichten binden immer mehr Arbeitszeit und hindern die Mitarbeiter, direkt bei den Bewohnern zu sein. Hier besteht der klare Wunsch, genau zu überprüfen, was tatsächlich notwendig ist und was nicht.

 

Im Gespräch wurde auch deutlich, dass sich in den vergangenen Jahren das Lebensalter der Bewohner beim Einzug deutlich erhöht hat und mittlerweile im Durchschnitt jenseits des 85. Lebensjahres liegt. Damit verbunden ist auch eine deutlich größere Anzahl von Bewohnern mit beginnender oder fortgeschrittener Demenz. Dies bedeutet auch einen intensiveren pflegerischen Ansatz, der aber nicht nur in den Seniorenheimen, sondern im gesamten medizinischen Sektor eingehalten werden muss.

 

Auf die Frage nach einem konkreten Wunsch äußerten Herr Magnet und Frau Müller, ebenso wie die Mitarbeiter übereinstimmend die Hoffnung, dass der Beruf des Altenpflegers stärkere gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung erfährt. Bereits jetzt deutet sich an, dass der Fachkräftemangel auch und gerade diesen Berufszweig betreffen wird. Eine älter werdende Gesellschaft wie die unsrige ist aber auf Menschen in diesem Beruf stärker denn je angewiesen. Über Möglichkeiten, dieses Berufsfeld attraktiver zu machen, müssen wir uns in der Politik Gedanken machen.

 

Mein Perspektivwechsel war auch in diesem Jahr ein lehrreicher und interessanter Tag mit vielfältigen neuen Erfahrungen und Eindrücken. Noch stärker als zuvor fühle ich Dankbarkeit all denen gegenüber, die andere Menschen pflegen – sei es in einem Seniorenheim oder in der häuslichen Gemeinschaft. Sie leisten einen großen Dienst, den Krankenkassen und andere zu kontingentieren versuchen und der oftmals nicht ausreichend von der Gesellschaft wertgeschätzt wird.

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